Jede Woche gibt es hier Gedanken zu einer Sonntagslesung zum Lesen - vorbereitet von einem*r Neuhauser Seelsorger*in.
Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner! Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
(Lk 15, 1–3.11–32)
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MEHR – dahinter können viele Wünsche oder Sehnsüchte stecken. Mehr Gelassenheit, mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Herzlichkeit, mehr … Oft ist der Wunsch nach MEHR ein Hinweis auf etwas das tiefer liegt und existenziell ist: einer Sehnsucht nach mehr Leben, nach echtem Ankommen, nach bedingungsloser Liebe?
Der jüngere Sohn im Gleichnis trägt genau diese Sehnsucht in sich. Er will raus, weg vom Gewohnten, sich selbst finden, das Leben kosten. Und er scheitert, weil er glaubt, dass seine Sehnsucht durch ein Weit-Weg oder ein Immer-Mehr erfüllt wird. Doch sein Scheitern ist nicht das Ende. Im Gegenteil: Es führt ihn zur Erkenntnis, dass wahre Heimat nicht dort ist, wo man sich selbst durchsetzt, sondern wo man angenommen ist – mit allem, was gelungen und was zerbrochen ist.
Und dann ist da der Vater. Er rennt dem Sohn entgegen. Er ist nicht distanziert, beäugt ihn nicht, verurteilt ihn nicht. Nein, er erwartet ihn schon. Er nimmt ihn als den Sohn an, der er ist. Der Sohn muss nicht perfekt sein. Wenn wir die Gestalt des Vaters als Gott verstehen, mit wie viel Sehnsucht steht Gott dann schon wartend bereit, wenn wir erst am Rückweg oder gar noch beim Feiern sind?
Der ältere Sohn dagegen lebt äußerlich beim Vater, aber innerlich scheint er weit entfernt. Auch er sehnt sich – nach Gerechtigkeit, nach Anerkennung, nach Liebe. Aber er kann sie nicht empfangen, weil er sich mit seinem Bruder vergleicht. Vielleicht kennen wir das auch? Wir leisten, geben unser Bestes, und fühlen uns trotzdem übersehen. Dabei sagt der Vater zu ihm – und zu jedem: „Du bist mein geliebtes Kind, an Dir habe ich Gefallen gefunden.“
MEHR Sehnsucht Raum geben, damit wir unseren Weg mit Gott immer wieder gehen können. Jetzt in der Fastenzeit ist die Möglichkeit diesem MEHR an Sehnsucht nach Gott durch ein WENIGER im Alltag Raum schaffen.
Franziska Bromberger
Pastoralreferentin im Pfarrverband St. Clemens und St. Vinzenz
(Foto: Matthias Rößner)